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Austausch bildet – Juni 2019

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Zum Jubiläum des Prämienprogramms stellt das Magazin Schulen vor, die in den letzten 60 Jahren Gastschüler aus aller Welt empfangen haben. Der europäische Austausch mit Erasmus+, der Schüleraustausch mit China und die Erfahrung ehemaliger Austauschschüler sind weitere Themen.

Fremdsprachenassistenzprogramm 35 interview martin finkenberger, pad austausch bildet zurückgeblickt »Jede Freundschaft muss gepflegt werden« Die friedliche Revolution in der DDR und den Weg zur deutschen Einheit vor fast dreißig Jahren kennen seine Studierenden nur aus dem Geschichtsbuch. Er selbst hat sie als Fremdsprachenassistent von Frankreich aus verfolgt. Als Ulrich Pfeil, der heute an der Universität Lorraine, in Metz lehrt, im Herbst 1989 in der Kleinstadt Lure eintraf, standen die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR bevor. Als er im Mai 1990 zurückkehrte, zeichnete sich das Ende dieses Staates ab. Foto: Wikipedia/Yuriy Somov, Illustration: DITHO/João Heleno Duarte Herr Professor Pfeil, als am 9. November 1989 in Berlin die Mauer geöffnet wurde, leitete das das Ende der DDR ein. Wie haben Sie die historischen Ereignisse in der französischen Provinz erlebt? Um ehrlich zu sein: Die ersten Tage ging das alles ein bisschen an mir vorbei. Ich hatte zunächst nämlich keinen Fernseher und später nur einen schlechten Empfang. In Lure ließ sich zudem nicht eben mal eine Zeitung aus Deutschland organisieren. Die Bilder, die wir heute kennen, habe ich deshalb kaum live verfolgt. Ich nahm die Ereignisse viel stärker durch das französische Fernsehen wahr, das andere Akzente setzte. Viel prägender waren für mich Erfahrungen im Februar 1990, als ich während der in Frankreich üblichen Winterferien nach Berlin und in die DDR gefahren bin. Weil damals die Wahlen zur Volkskammer bevorstanden, habe ich in Potsdam an den Infoständen der vielen neuen Parteien Flugblätter und Plakate eingesammelt. Ich ging allerdings auch ins Gebäude der Bezirksleitung der inzwischen umbenannten SED, wo ich auf einen jungen Kader traf, der mir nur widerwillig Material ausgehändigt hat. All das nahm ich mit nach Lure zurück und hatte damit nicht nur aktuelles Material, sondern auch sehr persönliche Erlebnisse, auf die ich im Unterricht und in den Gesprächen mit den französischen Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen konnte. Wie haben die Menschen nach der Euphorie des Augenblicks auf die weitere Entwicklung reagiert? Als sich die Wiedervereinigung abzeichnete, gab es ja unter den europäischen Nachbarn durchaus Skepsis. Solche Stimmen habe ich in Lure nicht gehört weder bei den Lehrkräften noch unter Schülerinnen und Schülern. Es bestand vielmehr großes Interesse an den aktuellen Ereignissen. Nachdem die Mauer gefallen war, sind Klassen zugweise nach Berlin gefahren. Alles in allem gab es eine sehr positive Haltung. Das lag wohl auch daran, dass 1989 gleichzeitig das »Bicentenaire« gefeiert wurde, um an den 200. Jahrestag der Französischen Revolution zu erinnern. Aufgrund der damaligen persönlichen Zwistigkeiten zwischen Präsident François Mitterrand und dem Pariser Bürgermeister Jacques Chirac blieben die Feierlichkeiten in der französischen Hauptstadt enttäuschend. Die friedliche Revolution in der DDR hat die Stimmung dann gerettet, weil es plötzlich noch etwas zu feiern gab. Fremdsprachenassistenzkräfte können nachhaltig das Deutschlandbild junger Menschen prägen. Was sollten die Schülerinnen und Schüler von Ihnen lernen? In Lure ist mir bewusst geworden, wie anders der Fremdsprachenunterricht in Frankreich funktioniert. Dort geht es vor allem um das Auswendiglernen von Vokabeln und Grammatik. Ich habe mich deshalb darum bemüht, den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, dass sich Deutsch nicht auf Klassiker der Literatur wie den »Erlkönig« beschränken muss, sondern auch eine lebendige Sprache ist, zu der man zum Beispiel durch aktuelle Lieder einen Zugang finden kann. Ein solcher Unterricht war damals in Frankreich ja eher ungewöhnlich. Aber als junger Fremdsprachenassistent konnte ich mir das leisten. Bei mir sollten die Schülerinnen und Schüler reden und dabei Fehler machen dürfen. Das sage ich heute übrigens auch meinen Studentinnen und Studenten an der Universität immer zu Semesterbeginn mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Mussten Sie dafür bei den Deutschlehrkräften des Kollegiums Überzeugungsarbeit leisten? Das nicht, denn die meisten waren sehr offen, kannten die Bundesrepublik durch eigene Besuche oder berufliche Aufenthalte und ließen mich im Unterricht machen, solange alles gut lief. Zu den wenigen Ausnahmen gehörte, als ich einmal Schülerinnen und Schüler benoten sollte. Abgesehen davon, dass so was nicht zu den Aufgaben eines Fremdsprachenassistenten gehört, bemerkte ich doch einen deutlichen Unterschied. 17 oder mehr Punkte, die in der französischen Notenskala für eine sehr gute Leistung stehen, werden dort fast nie vergeben. Ich hielt solche Noten aber für angemessen, wenn sie verdient waren, und habe sie auch vergeben. Die Lehrerin der Klasse hat das hingenommen, hätte es selbst aber so bestimmt nie gemacht. > 34

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