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Austausch bildet - Juni 2021

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Das Magazin „Austausch bildet“ des PAD veröffentlicht Beiträge zur Praxis im internationalen Schulaustausch. "Das Plus für Schulen" lautet das Motto der Juniausgabe, die zeigt, welche Erfahrungen Schulen und Kitas mit dem europäischen Bildungsprogramm Erasmus+ sammeln. Sie können das Heft kostenlos im PAD-Webshop bestellen. www.kmk-pad.org/shop

RENZGÄNGER austausch

RENZGÄNGER austausch bildet sondern in einem gewöhnlichen Mietshaus umgeben von Deutschen. Und nach Ablauf der Militärzeit sind sie sechs Monate mit einem Bus durch Europa getourt. In meiner Kindheit habe ich viele Geschichten darüber gehört und mein Vater hat immer wieder erzählt, dass das einige der besten Jahre seines Lebens gewesen seien«, berichtet Jason Owens. Dass seine Eltern zudem untereinander in einen Deutschslang wechselten, wenn die Kinder etwas nicht verstehen sollten, motivierte ihn umso mehr. Deutsch-deutsche Erfahrungen Mit dem Preisträgerprogramm kam er nach Nürnberg, wo er mit seinem Gastbruder den Unterricht am Neuen Gymnasium besuchte. »Meine Gastfamilie war superfreundlich«, sagt er noch heute. Doch auch die Stadt mit ihrer mittelalterlichen Kaiserburg und dem Aufmarschgelände aus der Nazizeit, auf dem amerikanische GIs jetzt wie selbstverständlich Handball spielten, hinterließen bleibende Eindrücke. »Hier haben wir die Geschichte gesehen, über die wir im Unterricht gesprochen hatten.« Das galt erst recht während der Exkursion nach Berlin einschließlich Tagesausflug in den Ostteil der Stadt. »Ich war fasziniert von der krassen Trennung durch die Mauer und hatte den Eindruck, dass in einigen Ecken die Zeit stehen geblieben war«, erinnert er sich. Die Teilnahme am Preisträgerprogramm, nicht zuletzt aber auch sein Interesse für historische Umbruchsituationen am Grenzverlauf gegensätzlicher Gesellschaftsmodelle bestärkten ihn, später Germanistik studieren zu wollen. »Ich habe mich schon als Jugendlicher für solche Fragen interessiert. Damals kam das durch die Nähe zum Ohio River, der nicht nur die Grenze Kentuckys zu den nördlich angrenzenden Bundesstaaten Illinois, Indiana, Ohio und West Virginia bildet, sondern früher auch die zwischen den Sklavenstaaten und den freien Staaten«, sagt er. Beste Voraussetzung für sein Studium schaffte ein Austauschjahr noch zu Schulzeiten 1985/86 am Ernestinum in Celle. Und auch später kam er immer wieder zu Studienaufenthalten nach Deutschland. In Chemnitz erlebte er 1992, wie ein gesellschaftlicher Wandel sich vollzieht, wenn einstige Grenzen verschwunden sind, überkommene staatliche Strukturen sich aufgelöst haben und neue Werte den Ton angeben. Als Student am Center of Excellence for German Studies der Georgetown University in Washington, das dort nach der Wiedervereinigung eingerichtet worden war, bot sich ihm die Möglichkeit eines mehrmonatigen Praktikums in Sachsen. »Der Präsident unserer Universität unterhielt offensichtlich gute Beziehungen zum damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, der Studierende aus den USA eingeladen hat«, erinnert sich Jason Owens. So kam es, dass er den Sommer im Chemnitzer Kulturamt verbrachte – einer Stadt noch mitten im Umbruch. »Dort 32

Erfahrungen 33 Anfang der 1990er-Jahre allerdings unerwartet zwischen allen Systemen. Owens entwickelte Interesse an dem Thema und beschäftigte sich mit den Auswirkungen ihrer Sozialisation in einem Ostblockstaat auf die Integration in eine ihnen unbekannte Heimat nach ihrer unfreiwilligen Rückkehr. Während eines Forschungsaufenthaltes 1995 bis 1997 am University Centre for Studies in Namibia hatte er die Gelegenheit, zahlreiche dieser DDR-Kinder für seine Promotion zu befragen. »Das ist meine akademische Nische«, sagt Jason Owens, der als einer der besten Kenner zu diesem Thema gelten kann. Deutschlernen lohnt sich Vor historischer Altstadtkulisse: Jason Owens (re.) 1984 in Nürnberg. habe ich sehr anschaulich erlebt, was ›Wiedervereinigung‹ für die Menschen tatsächlich bedeutet hat.« Zu seinem besseren Verständnis deutsch-deutscher Befindlichkeiten dieser Jahre trug bei, dass er selbst sich als Wissenschaftler ausführlich mit einem heute weithin vergessenen Kapitel aus den Zeiten der Blockkonfrontation befasst hat – den »DDR-Kindern« aus Namibia. Darauf aufmerksam gemacht hatte ihn ein Vortrag des namibischen Botschafters am Deutschen Historischen Institut in Washington, der über »Erinnerungskultur« seiner Heimat referierte. In dieser sei nämlich nicht nur der Völkermord aus der Kolonialzeit verankert, sondern auch die Aufnahme von Kindern, oftmals Waisen, während der Besetzung des Landes durch das südafrikanische Apartheid regime. »Ich war damals ziemlich blauäugig und dementsprechend überrascht, als der Botschafter auf meine Frage, unter welchem deutschen Regierungschef dies der Fall gewesen sei, den Namen Erich Honecker nannte.« Tatsächlich hatte die DDR im Rahmen eines Solidaritätsprojektes für die damals marxistisch orientierte Befreiungsbewegung SWAPO von 1979 bis 1989 rund 430 Kleinkinder nach Ostdeutschland gebracht. Dort sollten sie zur Elite eines befreiten Namibias ausgebildet werden. Mit dem Niedergang der DDR und der Unabhängigkeit Namibias standen sie Umso mehr bedauert er, dass Deutsch in der Wissenschaftssprache heute nicht mehr die Rolle spielt, die es früher einmal eingenommen hat. Dass es sich dennoch lohnt, die Sprache auch künftig zu lernen, steht für ihn allerdings außer Zweifel. »Wer zum Beispiel auf wirtschaftlichem Gebiet in Deutschland erfolgreich sein will, sollte die Mentalität des Landes und seiner Menschen verstehen«, sagt er und verweist auf den schließlich gescheiterten Versuch einer amerikanischen Warenhauskette vor einigen Jahren, in Deutschland Fuß zu fassen. »Die hatten im Management nur Menschen, die kein Deutsch sprachen und die Bedürfnisse der Kunden hierzulande nicht richtig einschätzen konnten. Dazu gehört offensichtlich, dass ein Supermarkt auch mit dem Bus gut erreichbar sein muss.« An künftige Preisträger appelliert er deshalb, während des Programms möglichst wenig in ihrer Muttersprache zu kommunizieren. »Macht viele Fotos, schickt sie nach Hause, aber schwört einen Eid, dass ihr während eures Aufenthalts nur Deutsch sprecht – oder andernfalls vorzeitig nach Hause geschickt werdet.« Zur Person Heimatland USA Preisträger 1984 Heute Lieblingsrede wendung Senior Lecturer an der Ohio State University, Department of Germanic Languages and Literatures »Andere Länder, andere Sitten«

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