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Austausch bildet Dezember 2016

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Das Magazin stellt Projekte vor, die durch europäischen Austausch einen wichtigen Beitrag zur Bildungsintegration leisten. Studienaufenthalte von Schülern als "Migrationsexperiment", Sport und Spiel als Integrationserleichterung oder die Förderung von Elternteilhabe stehen beispielhaft für das Engagement von Lehrerinnen und Lehrern, die sich für Vielfalt an Schulen einsetzen. Weitere Beiträge widmen sich der Aktion "Europa macht Schule", stellen engagierte Deutschlerner aus Afrika vor und berichten über Austauscherfahrungen in ihrer Bedeutung für den eigenen Berufs- und Lebensweg. Neuigkeiten zu aktuellen Förderprogrammen, mit denen der PAD internationalen Austausch unterstützt, runden das Heft ab. Als Beilage zum Heft gibt es den Jahresplaner 2017 des PAD – solange der Vorrat reicht.

hyacinthe hounkpatin

hyacinthe hounkpatin Erfahrungen 35 austausch bildet A m Anfang stand eine Hoffnung: »Du wirst wiederkommen, um Deinen Pullover abzuholen«, tröstete ihn einer der anderen Preisträger aus »Gruppe 30«, mit der er im Sommer 1996 Deutschland kennenlernen konnte. Das geliebte Kleidungsstück nämlich hatte Hyacinthe Hounkpatin bei einem Besuch der weitläufigen Parkanlage des Barockschlosses Ludwigsburg liegen lassen. Was seinerzeit als Aufmunterung gemeint war, sollte sich tatsächlich erfüllen – zumindest teilweise. Neun Jahre später, nach dem Abitur in seiner Heimatstadt Porto Novo und einem Masterstudium in Dakar im benachbarten Senegal, kehrte er tatsächlich zurück. Ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung ermöglichte ihm seit 2004 zunächst ein Aufbaustudium in Mainz. Dem folgte die Zulassung zur Promotion am »Institut für Kulturmanagement« in Ludwigsburg. In seiner Arbeit, die er in diesem Wintersemester abschließen will, vergleicht er das Profil von Kulturmittlern wie dem Goethe- Institut und dessen Pendants aus Frankreich und Großbritannien in westafrikanischen Staaten. Der Pullover ist natürlich längst vergessen. Das Thema der Promotion knüpft auch an Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit an. Denn seine ersten Begegnungen mit Deutsch als Fremdsprache erhielt Hyacinthe Hounkpatin durch Lehrbücher, die von früheren Kolonialmächten für die Staaten der »Frankophonie« auf dem afrikanischen Kontinent erstellt worden waren. Deutsche traten darin zumeist als »Bösewichte« auf, erinnert er sich, und trugen ein »Bäuchle« vor sich her, wie er ein süddeutsches Idiom imitiert. Dass durch solche Bilder Klischees verbreitetet würden, sei ihm als Schüler nicht bewusst gewesen. Anders als heute hätten in den 1990er Jahren schließlich kaum Möglichkeiten bestanden, Informationen eigenständig im Internet zu überprüfen. Gerade Lehrbücher für den Fremdsprachenunterricht sollten aber nicht nur Grammatik und Vokabular vermitteln, sondern »anderen Kulturen immer auch Respekt erweisen«, ist eine seiner Schlussfolgerungen. »Der ›Wahrig‹ hat mich verrückt gemacht« Dabei fiel ihm die Sprache am Anfang nicht leicht. Die unbekannten Buchstaben, die langen Wörter und die komplizierte Grammatik zogen manch schweißtreibende Stunde in der Schulbibliothek nach sich. »Der „Wahrig“ hat mich verrückt gemacht«, sagt er noch heute über das weit verbreitete Wörterbuch. Umso stolzer durfte er deshalb sein, als er 1996 zur Teilnahme am Internationalen Preisträgerprogramm ausgewählt wurde. Qualifiziert hatte er sich durch einen Aufsatz, in dem er Vorschläge machen sollte, wie sich Vorurteile zwischen Völkern überwinden ließen. »Einen so langen Text hatte ich vorher noch nicht auf Deutsch geschrieben«, erinnert sich Hyacinthe Hounkpatin. Das vierwöchige Programm habe dann nicht nur manches Klischee aus dem Schulunterricht korrigiert. Er selbst sei zudem persönlich gereift. So habe er gelernt, sich in eine internationale Gruppe zu integrieren – eine Erfahrung, »die ich vorher nicht machen konnte«. Außerdem habe er erkannt, wie wichtig es sei, im Austausch mit anderen den eigenen Die unbekannten Buchstaben, die langen Wörter und die komplizierte Grammatik zogen manch schweißtreibende Stunde in der Schulbibliothek nach sich. Über das Preisträgerprogramm Sie kommen aus rund 90 Staaten aller Kontinente und vertreten ihr Land unter den »Weltmeistern« im Deutsch lernen: Das Internationale Preisträgerprogramm des PAD ermöglicht jedes Jahr rund 500 besonders begabten Schülerinnen und Schülern einen vierwöchigen Aufenthalt in Deutschland. Qualifiziert haben sie sich in Auswahlwettbewerben, bei denen sie ihre exzellenten Deutschkenntnisse unter Beweis stellen konnten. In internationalen Gruppen erleben die Schüler/-innen ein umfangreiches Exkursions- und Kulturprogramm mit Gastschulaufenthalt, das ein authentisches und modernes Bild Deutschlands zwischen Rügen und der Zugspitze vermitteln soll. Finanziert wird das Programm aus Mitteln des Auswärtigen Amtes. Horizont zu erweitern: »Wer reist, der reibt sich und kommt damit selbst zu neuen Einsichten und Perspektiven«, stellt er im Rückblick fest. Deshalb ist es ihm ein großes Anliegen, dass mehr junge Menschen aus seinem Heimatland ähnliche Erfahrungen machen können. »Es gibt hier viele gut ausgebildete Studienabsolventen ohne Chance auf ein Stipendium, weil sie durch ihre Familien nicht die nötigen Beziehungen haben. Junge Talente haben deshalb kaum Möglichkeiten, sich zu beweisen«, sagt er. Um sie beim Start in die Selbstständigkeit zu unterstützen, hat er jüngst ein Projekt initiiert, das ihnen sechsmonatige Praktika in Deutschland ermöglichen soll. Dabei sollen sie Knowhow vor allem in der Tourismusbranche erwerben und auch ein Geschäftsmodell entwickeln, das sich nach ihrer Rückkehr im Benin in die Praxis umsetzen lässt. »Tourismus ist ein Wirtschaftsfaktor, der bislang unterschätzt wird«, ist Hyacinthe Hounkpatin von der Idee überzeugt. Wenn alles klappt, kommen schon bald die ersten Stipendiaten nach Deutschland. Und wenn das Konzept sich bewährt, will er es auf andere Staaten in Westafrika ausweiten. Dabei kann er auch auf Erkenntnisse aus seinem Studium in Dakar zurückgreifen. »Kulturmarketing in der Gründung und nachhaltigen Führung von Kulturunternehmen in Westafrika« lautet der Titel seiner Masterarbeit, die er auf Deutsch verfasst hat. Welche enge Verbindung »Kulturmarketing« und kultureller Austausch eingehen können, zeigt sich zudem an einer seiner Leidenschaften, die er bereits als Schüler entwickelt hat: »Die Musik werde ich nie vernachlässigen. Sie war damals ein Ort der »Die Musik werde ich nie vernachlässigen.« Zuflucht, wenn sonst nichts mehr ging«, erinnert er sich. Während der Schulzeit brachte sich Hyacinthe Hounkpatin als Autodidakt Noten bei und setzte sich mit Harmonielehre auseinander. Beethoven und Bach hörte er, wenn er schwierige Vokabeln lernen musste. Während des Preisträgerprogramms galt er als »Musikant der Gruppe«, der mit der traditionellen Flöte seiner Heimat, der Tokhohro, für Stimmung sorgte. Und zum Studium in Ludwigsburg nahm er auch Keyboard und Gitarre mit. Mit einem Computer richtete er sich damals ein Tonstudio ein und machte sich schnell als Produzent und Arrangeur für andere Gruppen einen Namen. Wenn ihm die Zeit es erlaubt, tritt er selbst auf. »Soko« heißt die Band, für die er am Bass steht. Sie verknüpft Klänge seiner Heimat mit modernen Elementen des Jazz – eine ideale Kombination für jemanden, der in Improvisationen jene Freiheit auszuleben weiß, die er als Autodidakt immer genossen hat. Zu den Personen Abdou Latif Ataligbo freut sich über Kontakte zu Schulen in Deutschland. m l.ataligbo@gmail.com Die Band, in der Hyacinthe Hounkpatin mitspielt, stellt sich hier vor http://soko-africanjazz.com 34

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