Erfahrungen 37 austausch bildet 36 Jugendlichen vor einer Gruppe von Kindergartenkindern vorführten. An verschiedenen Stationen konnten die Kleinen zum Beispiel beobachten und verstehen lernen, wie Seifenblasen entstehen, warum ein Blatt auf der Wasseroberfläche schwimmt, wie Tee und Zucker sich in warmem Wasser auflösen und wie man Knetbälle bauen kann, indem man mit Wasser gemischte Mehlstärke in Luftballons füllt. Die Jugendlichen leben in den Familien ihrer Austauschpartner, nehmen am Schulunterricht teil und unternehmen gemeinsame Ausflüge. Immer wieder sind die Deutschen überrascht von der Herzlichkeit der Menschen in Mexiko. »Als wir im letzten Jahr mit vielen Stunden Verspätung mitten in der Nacht am Flughafen ankamen, wo die Mexikaner schon ewig auf uns gewartet haben mussten, wurden unsere Schülerinnen und Schüler unter Jubel umringt und umarmt, mit Blumen, Süßigkeiten und Luftballons behängt. Die Art der Zuwendung, die sie in ihren Gastfamilien erleben, ist etwas, das viele so noch nie erlebt hatten. Unsere Schülerinnen und Schüler schweben in dieser besonderen Situation des Austauschs wie auf ›Wolke sieben‹«, sagt Eva Findenegg. Die Jugendlichen bestätigen das: »Meine Gastmutter hat mich ständig umarmt, überall gab es Küsschen. Auch der Kontakt zwischen Schülerinnen und Schülern und ihren Lehrkräften ist in Mexiko viel freundschaftlicher. Das wäre bei uns in Deutschland so nicht denkbar, war aber eine tolle Erfahrung«, sagt etwa die Zwölftklässlerin Evelyn, die am letzten Austausch teilnahm. Ihre Mitschülerin Lea erzählt: »Der Gastvater von einer Freundin sagte mir bei einem Besuch: ›Wenn du wiederkommen möchtest, steht dir unsere Tür immer offen‹.« Programm Schulen: Partner der Zukunft (PASCH) Partnerschulen St.-Viti-Gymnasium Zeven (Niedersachsen) Colegio Alemán Alexander von Humboldt, Mexiko-Stadt Themen bisheriger Begegnungen »Wasser – ein prägendes Element der eigenen Kulturlandschaft«, »Migration heute und vor 100 Jahren« (Filmprojekt), »Mais – seine kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung«, »Kaffee – Anbau und Handel« Skeptiker überzeugt Drei Mal haben sich die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte des St.-Viti-Gymnasiums aus Zeven und des Colegio Alexander von Humboldt in Mexiko inzwischen schon besucht. Und da die Lokalzeitung Berichte von den begeisterten Schülerinnen und Schülern veröffentlichte, erfuhren auch skeptische Familien und Kollegen von den guten Erfahrungen. »Unsere Schüler sind in Mexiko keinen Gefahren ausgesetzt, denn die Gasteltern bringen sie überall hin, holen sie auch wieder ab und tauschen sich untereinander aus, wer wann wo ist. Viel Freiheit haben die Jugendlichen dort also nicht und sie sehen auch nur einen Ausschnitt der mexikanischen Gesellschaft, weil die Schülerinnen und Schüler der Deutschen Auslandsschule einer privilegierten Mittel- und Oberschicht angehören. Trotzdem erleben unsere Kinder dort eine völlig andere Welt«, erzählt Eva Findenegg. Und auch die Jugendlichen aus der lateinamerikanischen Metropole, die ihre Freizeit normalerweise in Sportklubs und Shoppingmalls verbringen, nehmen ihren Aufenthalt in der deutschen Kleinstadt als echtes Highlight wahr. Denn während es für die deutschen Jugendlichen völlig selbstverständlich ist, auf ein Fahrrad zu steigen und gemeinsam mit Freunden ohne ein festes Ziel vor Augen einfach draufloszuradeln, ist das für ihre neuen Freunde aus Mexiko in der Heimat kaum denkbar. — Die Autorin ist Journalistin in Königs Wusterhausen. Kontakt Eva Findenegg m eva.findenegg@st-viti.net nachgefragt »Humboldt würde heute zur Videokonferenz einladen« Dr. Reinhard Aulke ist Didaktischer Leiter an der Alexandervon-Humboldt-Schule Wittmund (Niedersachsen). interview martin finkenberger, pad An der letzten Projektwoche nahmen auch Schülerinnen und Schüler Ihrer Partnerschulen in Argentinien, Indonesien, Kenia und der Ukraine teil. Womit haben Sie den Forschergeist der Schülerinnen und Schüler geweckt? Das internationale Jugendtreffen »EUREKA! Schulen in globalem Dialog«, welches wir als PASCH-Schule seit 2017 jährlich veranstalten, hatte diesmal den Schwerpunkt »Große Welt, kleine Erde: Biodiversität«. Es ging darum, mit Expertinnen und Experten der Region und an ausgewählten außerschulischen Lernorten die systemische Ökologie der Artenvielfalt und das gegenwärtig in der Öffentlichkeit intensiv diskutierte Artensterben zu erforschen und gemeinsam Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren, wie wir mit dem Problem der Grenzen unseres Planeten umgehen. Schließlich sind wir Menschen selbst Teil dieses Ökosystems »Mutter Erde«. Von diesem Geist war auch die diesjährige Begegnung getragen. Die Projektarbeit wird unter #paschhumboldt auch auf Instagram dokumentiert. Mit welchen Argumenten würden Sie Humboldts mögliche Berührungsängste gegenüber solchen Digitalformaten ausräumen? Der Herr ist ja etwas betagt und vermutlich nicht allzu onlineaffin? Ich denke, Alexander wäre sich mit seinem Bruder Wilhelm darin einig, dass die heutigen digitalen Möglichkeiten der weltweiten Kommunikation auch den Horizont öffnen für die Vielfalt der Kulturen, Sprachen und des Wissens. Schließlich konnte er bei seinen Reisen zum Beispiel in die Anden nur »analog« mit Bleistift und Papier Daten etwa über indigene Sprachen sammeln, die er seinem Bruder zum weiteren Studium mitbringen musste. Heute wüsste er, dass er zeitgleich den Sprachphilosophen Wilhelm mit den Häuptlingen zur Videokonferenz einladen könnte – und gleich ist das Gespräch eröffnet. Mal angenommen, Alexander von Humboldt lebte in unserer Welt: Was sind aus Sicht Ihrer Schülerinnen und Schüler besonders drängende Fragen, denen er mit »humboldtschem Forscherdrang« nachspüren sollte? Unsere Schülerinnen und Schüler würden da nicht lange zögern: Die mittel- und langfristige Veränderung unseres Ökosystems Erde durch die Erderwärmung ist eine drängende Frage, aber auch die Entwicklung eines systemischen Konzeptes nachhaltigen Handelns, das nicht nur die Lebensqualität auf unserem Planeten im Auge hat, sondern auch eine weltweite Verständigung über ökonomische und technische Aspekte von Nachhaltigkeit beinhaltet: Es geht um die Frage, welche Chance das neue Zeitalter des »Anthropozäns« für die Verwirklichung von Menschlichkeit und Gerechtigkeit bietet. In Humboldts Buch »Der neue Kosmos«, würde Humboldt heute leben, könnten wir garantiert kluge Gedanken hierzu finden.
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