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Austausch bildet Juni 2015

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Das neue halbjährlich erscheinende Magazin des PAD löst "PAD aktuell" ab. In der Ausgabe Juni 2015 lesen Sie im Schwerpunkt "Europa plus" Beiträge über Partnerschaftsprojekte mit Schulen in Osteuropa und Anrainern am Mittelmeer. Weitere Themen sind Erfahrungen mit Erasmus+, mit dem deutsch-französischen Freiwilligendienst, mit dem German American Partnership Program (GAPP) und dem Austausch von Fremdsprachenassistenten.

Rote Nasen in Belfort

Rote Nasen in Belfort Foto: bikeriderlondon/shutterstock.com Wer bereit ist, neue und ungewohnte Dinge auszuprobieren, kann einiges auf die Beine stellen. Diese Erfahrung hat Ruth Kockelmann während ihres Freiwilligendienstes an einem Lycée in Frankreich gemacht, wo sie unter anderem einen Rote-Nasen-Tag organisierte. austausch bildet Auch den Schulleiter überzeugt die Aktion von ruth kockelmann W ochenlang habe ich mich auf den Beginn meines Freiwilligendienstes gefreut. Im Moment der Abreise bin ich allerdings etwas angespannt, da ich nicht genau weiß, was mich erwartet. Doch schon im Zug treffe ich zwei andere Freiwillige. Zusammen fahren wir zu einem Vorbereitungsseminar nach Montélimar im Süden Frankreichs, bei dem wir die ganze Gruppe der Freiwilligen kennenlernen – insgesamt rund 25 Deutsche und Franzosen. Zwischen uns entwickelt sich schnell ein starker Zusammenhalt: Das ganze Jahr über bleiben wir in Kontakt und unterstützen uns gegenseitig. Doch auch das Seminar geht schnell vorbei und schon komme ich an meiner Einsatzstelle, dem Lycée Condorcet in Belfort, an. Dort werde ich sehr freundlich von meiner Tutorin empfangen. Sie zeigt mir die Schule, stellt mich einigen Personen vor, deren Namen ich in der Aufregung sofort wieder vergesse, und bringt mich zu meiner Wohnung. Die nächsten Tage lerne ich Kolleginnen und Kollegen, Lehrkräfte und Schüler/-innen kennen. Die meisten sind sehr sympathisch, so dass es mir leicht fällt, mich einzuleben. Zu meinen anfänglichen Aufgaben gehört neben Nachhilfe für einige Schüler/-innen auch, dass ich Ausflüge, beispielsweise Kino- oder Theaterbesuche, für die Schüler/-innen des angeschlossenen Internats organisiere. Doch so wirklich weiß anfangs niemand, was eigentlich meine Funktion an der Schule ist. Ich habe zwar feste Zeiten im Stundenplan, an denen ich vorher besprochene Aufgaben übernehme. Doch es ist mir längst nicht alles vorgegeben. Ich merke, dass es viel Eigeninitiative und Engagement braucht, um spannende (re) Aufgaben und Projekte zu realisieren. Auch die Schüler/-innen sind mir gegenüber sehr freundlich und zeigen sich interessiert. Viele haben aber nach den langen Schultagen kaum Zeit für zusätzliche Aktivitäten. Manchmal frustriert mich diese Trägheit. Trotzdem versuche ich es immer wieder. Und tatsächlich gelingt es mir, während meines Freiwilligendienstes einige Projekte durchzuführen. Ein Beispiel für eines der von mir angebotenen Projekte, das allen viel Spaß bereitet hat, ist ein Parcours aus Sprachspielen – zum Beispiel Zungenbrecher – und Fragen über Deutschland und Frankreich, den die Schüler/-innen durchlaufen können. Diese und ähnliche unregelmäßige Aktivitäten sorgen dafür, dass ich zusätzlich 26

Erfahrungen 27 zu meinen wöchentlichen Aufgaben, die etwa zwölf Stunden in Anspruch nehmen, mal mehr und mal weniger zu tun habe. So besteht die Möglichkeit, an den Wochenenden und in den Ferien zu reisen – und Städte, Landschaften, das gute französische Essen und natürlich viele neue Menschen kennenzulernen. Spenden sammeln für einen guten Zweck Nach einem halben Jahr entschließe ich mich dazu, ein größeres Projekt zu initiieren. Mit einem Red-Nose-Day an der Schule plane ich eine Aktion, an der viele Schüler/-innen mit wenig Zeitaufwand teilnehmen können. Die Organisation dieses Tages, an dem alle rote Plastiknasen tragen können, um so Spenden für Hilfsorganisationen zu sammeln, bedeutet jedoch einen hohen Zeitaufwand. Zwar habe ich die Unterstützung einiger Kolleginnen, Kollegen und Schüler/-innen, doch die meisten Aufgaben übernehme ich selbst. Zuallererst muss das Projekt natürlich vom »proviseur«, dem Schulleiter, genehmigt werden. Vor diesem Treffen bin ich nervös, aber ich bereite mich gut vor und schreibe mir auf, was ich sagen möchte. So gelingt es mir denn auch, ihn von der Aktion zu überzeugen. Anschließend nehme ich Kontakt mit einer Hilfsorganisation auf, der die Schule den Erlös des Red-Nose-Days spenden will. Einfache Telefonate auf Französisch habe ich schon geführt, um etwa Kinokarten für Internatsaus Über das Programm Der deutsch-französische Freiwilligendienst richtet sich an junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren, die an Gastschulen ihre Kultur und Sprache vermitteln und die Fachlehrkräfte dort unterstützen. Die Freiwilligen erhalten während ihres Aufenthalts ein monatliches Taschengeld für Unterkunft und Verpflegung. Fahrtkosten werden bezuschusst. Außerdem finden pädagogische Begleitseminare zur Vorbereitung statt. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des Deutsch- Französischen Jugendwerks und der Länder. Im Schuljahr 2014/15 nehmen aus beiden Staaten jeweils 25 Freiwillige teil. flüge zu reservieren. Etwas anderes ist es, mit einer fremden Person am Telefon zu sprechen. Schließlich überwinde ich mich jedoch zu den Anrufen. Ich merke, dass ich in dem halben Jahr, das ich in Frankreich lebe, einiges gelernt habe: sprachlich und vor allem auch, was mein Selbstvertrauen betrifft. Erleichtert – aber auch erschöpft Nun können die Schüler/-innen sich dazu entscheiden, für einen Euro eine rote Nase zu bestellen, die sie am »journée nez rouges« (Tag der roten Nasen) zu einem festgelegten Termin im April in der Schule aufsetzen. Ich habe etwas Angst, dass sich die Schüler/-innen nicht für die Aktion interessieren und meine bisherige Arbeit nutzlos war. Zusammen mit einigen überzeugten Schülerinnen und Schülern gehe ich deshalb vorher in die Klassen, um die Aktion vorzustellen. Wir erklären, wie die Schüler/-innen mitmachen können und dass der Erlös aus dem Verkauf der Nasen an eine Hilfsorganisation gespendet wird. Die nächsten Tage zeigen mir, dass meine Befürchtungen unbegründet waren: Über die Hälfte der Schüler/-innen möchte mitmachen. Der Rest ist einfach. Die roten Nasen werden bestellt und ein Kuchenverkauf von den Schülerinnen und Schülern organisiert, um zusätzliche Spenden zu sammeln. Am Tag selbst sieht man etliche von ihnen mit den roten Nasen im Unterricht sitzen, und auch der Kuchen wird restlos verkauft. Am Ende bin ich etwas erschöpft, vor allem aber erleichtert, dass alles ohne größere Probleme geklappt hat. Erst später wird mir bewusst, dass meine Idee und meine Arbeit tatsächlich etwas gebracht haben. Dieses Projekt zeigt sehr gut den Verlauf meines gesamten Freiwilligendienstes: Es war nicht einfach, in einem fremden Land alleine etwas auf die Beine zu stellen. Aber mit Durchhaltevermögen, der Bereitschaft, neue ungewohnte Dinge auszuprobieren und der Hilfe vieler Menschen, die mich unterstützt haben, habe ich doch einiges geschafft. Für mich war es eine unglaublich ereignisreiche Zeit in Frankreich, in der ich viele unvergleichbare und unvergessliche Erfahrungen gemacht habe. — Die Autorin studiert in Lüneburg Wirtschaftspsychologie (Bachelor) und war im Schuljahr 2013/14 Freiwillige am Lycée Condorcet in Belfort.

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