Forum 35 jahre erasmus Das »Plus« für Europa Wer hätte vor 35 Jahren geahnt, welche Tragweite der Beschluss 87/327/EWG einmal haben würde: Am 15. Juni 1987 legte der Rat der Europäischen Union damit die Grundlagen für das heutige Erasmus-Programm, das alle Bildungsbereiche umfasst. Für die Direktoren der vier Nationalen Agenturen in Deutschland ein willkommener Anlass, sich über seine Geschichte, Gegenwart und Zukunft auszutauschen. 30 austausch bildet
Forum 31 Blicken wir zunächst zurück: Die Vorläuferprogramme sollten einen Beitrag zur »Entwicklung hochwertiger und innovativer Angebote« in allen Bildungsbereichen leisten. Sind sie diesem Anspruch gerecht geworden? thomas spielkamp: Anspruch und Realität stimmen bekanntlich nicht immer überein. Wir haben deshalb im Schulbereich stets darauf hingewiesen, dass die Ziele der EU-Förderprogramme hochgesteckt sind, die Praxis sich aber an dem, was Schulen leisten können, messen muss. Dass es in den vergangenen 35 Jahren viele ausgezeichnete Projekte gegeben hat, ist ohne Zweifel dem multilateralen Ansatz zu verdanken, der für Schulen zwar neu gewesen ist, sich aber als überzeugend erwiesen hat. Im Schulbereich konnten wir zudem konstatieren, dass es den beteiligten Einrichtungen immer auch um die eigene Weiterentwicklung ging. Schulentwicklung war und ist deshalb immer ein großes Thema in den Projekten gewesen. klaus fahle: Es gibt Innovationen, die unmittelbar durch die Vorläuferprogramme entstanden sind. Wer weiß schon, dass der europäische Computerführerschein das Ergebnis eines finnischen Leonardo-Projektes ist? Oder dass eine Fortbildung für Handwerker zur Fachkraft für Solartechnik ursprünglich in einem europäischen Projekt der Handwerkskammer Münster entwickelt wurde. Jenseits solcher Leuchttürme ist Erasmus+ aber vor allem eine Softpower: Es hat die Idee der europäischen Zusammenarbeit in die Einrichtungen getragen – und viele kommen von ihr nicht mehr los. Hier vor Ort findet Innovation dann im Alltag statt, denn die europäische Zusammenarbeit macht uns bisweilen selbstkritischer, gibt Anstöße und erzeugt neue Energie. Darin liegt die große Stärke des Programms, nicht in der Veränderung von Systemen. stephan geifes: Erasmus steht für den Austausch von Menschen, um Europa zu erleben und zu gestalten. Dafür haben wir in allen Bildungsbereichen effiziente Strukturen entwickelt, die die Teilnehmenden niederschwellig abholen. Zugleich gibt es Kooperationsprojekte, die hochwertige Lehrangebote und innovative Bildungsnetzwerke auf den Weg gebracht haben. Als Student konnte ich selbst an ei- »Schaut man sich das Gesamtangebot an, ist die Entwicklung ein großer Erfolg. Lernmobilität gehört zum Lebensentwurf vieler junger Menschen. In den Freiwilligendiensten ist Internationalität der Standard.« Hans-Georg Wicke ner Erasmus-Sommerschule zur So zialgeschichte teilnehmen. Aus diesen Intensivprogrammen sind spä ter die Strategischen Partnerschaften entstanden. Die heuti - gen Europäischen Hochschulallianzen sehe ich als Bündelung und Weiterentwicklung dieser Zusammenarbeit und damit als hochwertige europäische Lehr-, Forschungs- und Innova tionsverbünde. hans-georg wicke: Schaut man sich heute das Gesamtangebot von 35 Jahren Erasmus und 35 Jahren Jugendprogramme der EU an, ist die Entwicklung ein großer Erfolg. Lernmobilität gehört inzwischen zum Lebensentwurf vieler junger Menschen. In den Freiwilligendiensten ist Internationalität der Standard und nicht die Ausnahme für besonders Engagierte. Fachkräfte der Jugendarbeit arbeiten intensiv auf europäischer Ebene zusammen. Auch sind die EU-Jugendprogramme gewachsen und mit ihnen hat die europäische Jugendarbeit ein eigenes Profil und eine größere Bandbreite entwickelt. Mit »Youthpass« gibt es inzwischen ein Instrument der Anerkennung des non-formalen und informellen Lernens. Auf europäischer Ebene hat sich unter dem Begriff »Youth Work« ein eigenes Arbeitsfeld und unter dem Begriff Jugendpolitik ein eigenes Politikfeld entwickelt. 2014 sind alle Programme der EU unter dem Dach von Erasmus+ zusammengeführt worden. Hat das die Wahrnehmbarkeit der verschiedenen Bildungsbereiche eher gestärkt oder geschwächt? klaus fahle: Die Zusammenführung der Programme war ein genialer Schachzug und ein schönes Beispiel, wie zwei gute Impulse etwas noch Besseres schaffen. Die EU-Kommission hatte ja ursprünglich »Erasmus für alle« vorgeschlagen und damit richtigerweise auf die Ausstrahlung von Erasmus gesetzt. Dies hatte aber einen negativen Beigeschmack, als hätte es nicht auch zuvor in den Programmen Leonardo da Vinci, Comenius und Grundtvig Vergleichbares gegeben. Das Europäische Parlament hat dies verstanden und das »Plus« eingebracht. So ist Erasmus+ eine starke Marke geworden, von der alle profitieren. Deshalb ist auch das »Plus« aus unserer Sicht weiterhin sehr wertvoll. >
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