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Austausch bildet - Juni 2022

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Das Magazin „Austausch bildet“ des PAD veröffentlicht Beiträge zur Praxis im internationalen Schulaustausch. "Das mehr im Plus" lautet das Motto der Juniausgabe, die zeigt, welche Möglichkeiten Erasmus+ bietet und welche Erfahrungen Schulen und Kitas mit dem europäischen Austausch sammeln. Sie können das Heft kostenlos im PAD-Webshop bestellen oder abonnieren. www.kmk-pad.org/shop

internationales

internationales preisträgerprogramm »Europa besser verstehen« Mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen perfekt in ihrer Muttersprache verhandeln, fällt dem rumänischen Europaabgeordneten Siegfried Mure an leicht. Für seine Deutschkenntnisse wurde er bereits als Schüler ausgezeichnet. austausch bildet von martin finkenberger, pad J unge Menschen, denen die Initiative »Discover EU« demnächst ein Ticket für einen Interrailtrip durch Europa spendiert, sollten nicht nur beliebte Touristenhotspots besuchen, sondern auch vermeintlich abseitsgelegene Städte und Regionen in ihre Reiseplanung aufnehmen – in Rumänien zum Beispiel. Das zumindest empfiehlt Siegfried Mure an, der seine Heimat seit 2014 als Europaabgeordneter in Brüssel vertritt. Warum also nicht die einzigartige Naturlandschaft im Donaudelta erkunden? Oder aber einen Abstecher nach Temeswar machen, jene pulsierende Stadt im Westteil des Landes, in der über viele Jahrhunderte hinweg zahlreiche Nationalitäten und Glaubensgemeinschaften zusammenlebten und die sich im kommenden Jahr als Europäische Kulturhauptstadt präsentieren wird? »Geht in die Hauptstadt Bukarest. Aber Rumänien hat mehr zu bieten«, rät er ihnen. Jungen Menschen solche Erfahrungen zu ermöglichen, ist dem studierten Wirtschaftswissenschaftler ein wichtiges Anliegen. In der Pilotphase der Initiative 2017 hat er sich als Berichterstatter des Parlaments deshalb dafür eingesetzt, das zunächst vorgesehene Budget aus Mitteln der EU aufzustocken. Dass »Discover EU« jetzt dort im Haushalt verankert ist, verdankt sich ein kleinwenig auch seiner damali- 34

Erfahrungen 35 gen Hartnäckigkeit. Allein in diesem Jahr sollen bis zu 60 000 junge Europäerinnen und Europäer einen Interrail-Pass erhalten. Wie prägend Auslandserfahrungen gerade während der Schulzeit oder im Studium sein können, weiß er aus eigener Erfahrung. Immer wieder hat er selbst von den Möglichkeiten des Austauschs in Europa profitiert – schon als Schüler, als er im rumänischen Auswahlverfahren für das Internationale Preisträgerprogramm des PAD den dritten Platz belegte. So kam es, dass er den Sommer 1998 vor allem in Fallersleben verbrachte, einem Vorort von Wolfsburg. An der Heinrich-Nordhoff-Gesamtschule nahm er am Unterricht teil – und erlebte dort eine ihm bis dato kaum vertraute Lernkultur. »Der Schulunterricht war deutlich interaktiver und das Verhältnis zwischen Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften entspannter«, erinnert er sich. Mit seiner Gastfamilie und den anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten erkundete er zudem eine ihm unbekannte Region. »Bis dahin kannte ich Deutschland in erster Linie durch Familienbesuche in Süddeutschland. Die Zeit in Fallersleben aber bot ganz andere Einblicke in den Alltag und die Gesellschaft. Für mich war es außerdem der erste intensive Kontakt zu Menschen aus Ländern, die ich kaum kannte, denn wir waren eine sehr diverse Gruppe.« Donauschwäbische Wurzeln Seine ausgezeichneten Deutschkenntnisse erklären sich durch seine Familiengeschichte. Viele seiner Angehörigen sind Donauschwaben, deren Vorfahren sich seit Ende des 17. Jahrhunderts in der Region niedergelassen hatten und die mit ihrer Sprache und Kultur bis heute Städte wie Temeswar prägen. »Ich bin zweisprachig aufgewachsen. Mit meiner Mutter habe ich fast immer Deutsch gesprochen«, erzählt Siegfried Mure an. Bis zur vierten Klasse ging er auf eine deutsche Schule. Später, während seines Studiums in Bukarest, besuchte er Vorlesungen und Seminare ausschließlich in deutscher Sprache. Schon damals zeichnete sich ab, dass der Lebensweg des jungen Rumänen nicht an den Grenzen seiner Heimat haltmachen würde. »Ich habe mich schon immer für Europa interessiert. Und mir war klar, welche Bedeutung gerade wirtschaftliche Fragen für die Entwicklung der rumänischen Gesellschaft haben würden, nachdem das Land Vollmitglied der Europäischen Union geworden war. Da erschien es mir ein logischer Schritt, internationale Erfahrungen zu sammeln«, sagt er. Natürlich sei Deutschland dabei wegen der Sprachkenntnisse »erste Wahl« gewesen. Weil es zugleich aber zu den Gründungsmitgliedern der EU zählt, versprach er sich hier besonders aufschlussreiches Know-how zu drängenden Fragen der europäischen Integration, mit denen seine Heimat sich seit dem EU-Beitritt konfrontiert sah. Nach einem Masterstudium an der Humboldt-Universität bewarb er sich deshalb für ein Stipendium im Deutschen Bundestag – mit Erfolg. Anschließend arbeitete er längere Zeit im Stab des CDU-Abgeordneten Gunther Krichbaum, der sich vor allem in der Europapolitik engagiert. Die dabei gesammelten Erfahrungen bestärkten Siegfried Mure an, in seiner Heimat selbst in der Politik aktiv zu werden. 2014 kandidierte er erstmals für das Europäische Parlament. 2019 wurde er über die Liste der Nationalliberalen Partei (Partidul Na ional Liberal) wiedergewählt. »Ich will mich langfristig für mein Land in Europa engagieren und dabei helfen, dass Bürgerinnen und Bürger die Entscheidungen der europäischen Institutionen besser verstehen«, erläutert er sein politisches Selbstverständnis. Als Mitglied der Europäischen Volkspartei, in der sich die bürgerlich-konservativen Parteien der Mitgliedstaaten zusammengeschlossen haben, vertritt er seine Fraktion unter anderem im mächtigen Haushaltsausschuss, an dem in Brüssel weder Parlamentarier noch Kommissionsmitglieder vorbeikommen. Wer weiß: Wenn demnächst wieder einmal Abgeordnete des Parlaments und die Präsidentin der EU-Kommission in nächtlichen Verhandlungen einen Kompromiss aushandeln müssen, dann sind Siegfried Mure ans per fekte Deutsch kenntnisse womöglich bestens geeignet, den richtigen Ton zu treffen. Zur Person Heimatland Preisträger 1998 Rumänien Heute Mitglied des Europäischen Parlaments Lieblingsredewendung In Anlehnung an eine Aussage, die Mahatma Gandhi zugeschrieben wird: »Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.«

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