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Austausch bildet – Juni 2024

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Nach dem Terrorangriff auf Israel im Herbst 2023 sind Begegnungen zwischen Deutschen und Israelis im Rahmen von Schulpartnerschaften, Lehrerfortbildungen und Stipendienprogrammen wichtiger denn je, um Zeichen der Solidarität zu setzen und die Verständigung zwischen beiden Staaten zu fördern. Unser Schwerpunkt im Magazin zum Austausch mit Israel vermittelt persönliche Einblicke dazu. Sie können das Heft kostenlos bestellen unter https://www.kmk-pad.org/service/shop

Christoph Albrecht

Christoph Albrecht Sabine Scholz-Buchanan austausch bildet von martin finkenberger, pad E in Viehwaggon, wie er für Deportationen an die Stätten der Vernichtung in Osteuropa eingesetzt wurde. Ein zeltähnliches Gebäude aus Basalt, in dem eine Gedenkflamme an die Opfer der Vernichtungslager erinnert. Ein in den Felsboden geschlagenes Tal, an dessen Wänden die Namen von rund 5 000 jüdischen Gemeinden eingraviert sind, die während der Schoah zerstört wurden: Wer die Gedenkstätte in Yad Vashem am westlichen Stadtrand von Jerusalem besucht, kann der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden in unterschiedlichster Weise gedenken. Für Christoph Albrecht war es die »Gedenkstätte der Kinder«, die ihn besonders beeindruckt hat. Die unterirdische Höhle erinnert an die rund 1,5 Millionen ermordeten Kinder, deren Namen und Alter in einer Endlosschleife verlesen werden. »Der Hauptraum dieser Gedenkstätte ist komplett verspiegelt und reflektiert das Licht von fünf Kerzen, die wie Tausende Sterne erscheinen und jeder Stern steht für ein Kind. Das war schon sehr bewegend und es brauchte hinterher etwas Zeit, um es zu verarbeiten«, sagt er. Christoph Albrecht ist Konrektor der Erich Kästner- Schule in Ortenberg, einer Förderschule mit den Schwerpunkten Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung. Geschichte unterrichten heißt hier, Schülerinnen und Schüler dafür zu sensibilisieren, weshalb Menschen während des Nationalsozialismus ausgegrenzt wurden und welche Verbrechen mit dem Begriff Schoah verbunden sind. Neben der Vermittlung von Faktenwissen geht es Christoph Albrecht und seinen Kolleginnen und Kollegen auch darum, die Schülerinnen und Schüler in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken damit sie jenen entgegentreten, die etwa auf dem Pausenhof unbedacht Sprüche klopfen oder mit Gesten provozieren. Neue Wege beschreiten Der Workshop »Eine Straße in Polen« blieb dagegen Sabine Scholz-Buchanan im Gedächtnis. Dabei handelt es sich um eine nachgebaute Straße in Polen vor dem Krieg. Artefakte, Straßenlärm und Filmaufnahmen lassen die Besucherinnen und Besucher so Besuch in der Synagoge: Rabbiner David Kraus antwortete auf alle Fragen zur jüdischen Religion und Philosophie. den jüdischen Alltag in dieser Zeit nachempfinden. Die Fortbildung folgt damit der Überlegung, nicht nur der Schoah zu gedenken, sondern auch jüdisches Leben davor und danach kennenzulernen. »Man denkt oft, dass man schon viel weiß, und ist doch immer wieder überrascht, was es über das jüdische Leben noch zu erfahren und zu entdecken gibt«, sagt sie. Die Englisch- und Geschichtslehrerin leitet die Werner-von-Siemens-Schule, eine Grund-, Haupt- und Realschule in Maintal im Main-Kinzig-Kreis mit bunt zusammengesetzter Schülerschaft. »Früher haben wir häufiger Zeitzeugen in den Unterricht eingeladen. Aber weil es diese Möglichkeit immer seltener gibt, müssen wir neue Wege finden.« Mit Unterstützung des örtlichen Brüder-Schönfeld-Forums, benannt nach einem jüdischen Geschwisterpaar, das 1941 in Kaunas (Litauen) ermordet wurde, beteiligt sich die Schule deshalb an Stolperstein-Projekten in Maintal und organisiert Workshops und Lehrkräftefortbildungen. Projekttage unter dem Motto »Gemeinsam Klasse sein« sollen zudem Schülerinnen und Schülern bereits in der Unterstufe demokratische Werte vermitteln. Material für den Schulalltag In der Gedenkstätte Yad Vashem absolvierten Sabine Scholz-Buchanan und Christoph Albrecht gemeinsam mit 18 weiteren Lehrkräften aus Hessen ein intensives Programm. »Ein wirklich vielschichtiges und umfangreiches Angebot«, sagt Sabine Scholz-Buchanan. In Workshops und Diskussionen konnten sie nicht nur ihr Wissen auffrischen und erweitern. Der besondere Wert ergab sich auch durch den schulformübergreifenden Austausch und die enge Verknüpfung mit dem pädagogischen Alltag. »Wir haben viele aktuelle Materialien auch für die Grundschule oder in Leichter Sprache für Schülerinnen und Schüler, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, kennengelernt und konnten sie praktisch ausprobieren«, sagen beide. Hinzu kam eine Form der Landeskunde, wie sie kein Schulbuch vermitteln kann. 18

#NieWiederIstJetzt 19 »In Jerusalem begegnen sich drei Weltreligionen auf engstem Raum. So kam es, dass wir das Fastenbrechen zum Ende des Ramadans miterlebt haben, aber auch, wie sich mit Beginn des Schabbats die Straßen im jüdischen Viertel schlagartig leerten«, erinnert sich Sabine Scholz-Buchanan. Auf Christoph Albrecht übten zudem der Besuch einer Synagoge, eine Fragerunde mit dem dort wirkenden Rabbi sowie Exkursionen an Orte, die aus der Religionsgeschichte bekannt sind, eine besondere Faszination aus. Die Teilnahme können beide deshalb nur empfehlen: »Das ist wie eine Reise in die Weltgeschichte und in die Geschichte der Menschen eines Landes, das anders ist, als wir es kennen«, sagen sie. Über die Fortbildungen Die Fortbildungen in der Gedenkstätte Yad Vashem sollen Lehrkräfte darin unterstützen, durch eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte der Schoah den aktuellen Herausforderungen in Schule und Unterricht durch Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus besser begegnen zu können. Die Grundlage für die Fortbildungen legte eine im Herbst 2013 unterzeichnete Erklärung durch den damaligen Präsidenten der Kultusministerkonferenz und den damaligen Bildungsminister des Staates Israel. Weitere Informationen t1p.de/holocaustund-nationalsozialismus nachgefragt »Intensive Eindrücke und Gefühle« Seit zehn Jahren können hessische Lehrkräfte sich in Yad Vashem fortbilden. Gregor Verhoff vom Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen koordiniert die Bildungsreisen. Herr Verhoff, was lernen Lehrkräfte während der Fortbildungen in Yad Vashem, was andere Angebote nicht vermitteln? Die ganztägigen Seminare behandeln eine Woche lang sehr konkret die Gestaltung von Unterricht zum Thema für Lernende mit unterschiedlichen Biografien und Lernvoraussetzungen. Hinzu kommen Exkursionen und Besichtigungen. Es ist vor allem der Ort Yad Vashem als Bildungs- und Gedenkstätte, der einzigartig ist, einen Einblick in jüdisches Leben und dessen Bedrohung vor Ort vermittelt und so zu einer unglaublich intensiven Auseinandersetzung mit der Schoah führt. Nach welchen Kriterien werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgewählt? Lehrkräften, die teilnehmen, kommt an ihren Schulen eine Multiplikationsfunktion zu. Deshalb berücksichtigen wir bei der Auswahl, dass Lehrkräfte aller Schulformen und Fächer hessenweit vertreten sind. Natürlich sollte man das Interesse an einer Teilnahme auch glaubhaft begründen können. Hessen kann inzwischen, wie andere Länder auch, auf langjährige Erfahrungen mit diesen Fortbildungen zurückblicken. Welche Eindrücke sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? Am eindrücklichsten ist, wie die Lehrkräfte, die sich vorher nicht kennen, in Israel innerhalb kürzester Zeit zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen, in der die intensiven persönlichen Eindrücke und Gefühle miteinander geteilt und verarbeitet werden. Ein Jahr nach der letzten Bildungsreise besteht immer noch eine Chat-Gruppe, in der ein regelmäßiger Austausch zu dem Thema stattfindet. Das ist in den aktuell unruhigen Zeiten besonders bedeutsam. Für mich persönlich bewegend ist das Museum zur Geschichte des Holocaust. Nach mehreren Stunden Führung tritt man ins Freie, ist nachdenklich und sprachlos. Zugleich blickt man am Ausgang weit über Jerusalem, lässt die Geschichte hinter sich und spürt, welche Verantwortung vor uns allen liegt.

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