austausch bildet Schwarzwald oder Braunschweig: Mit welchem Austausch verbinden Sie rückblickend die bunteren Bilder? Landschaftlich ist der Schwarzwald wunderschön. Allerdings erinnere ich mich auch an die düsteren Straßen bis zur Ankunft in dem kleinen Dorf, wo meine Gastfamilie wohnte – und sonst keiner aus meiner Gruppe. Braunschweig ist zwar auch keine aufregende Metropole. Aber eine Stadt hatte für uns Schülerinnen und Schüler, die wir damals um die 13 Jahre alt waren, einfach mehr zu bieten als ein Schwarzwalddorf. Vor einer Klasse unterrichten: War das Ihr Berufsziel, als Sie 2007 Ihr Germanistik-Studium begonnen haben? Dass ich einmal Lehrerin werden würde, hatte ich anfangs nicht im Kopf, was auch daran liegt, dass das Studiensystem in England anders gestrickt und nicht von vornherein auf das Lehramt ausgerichtet ist: Man studiert zunächst Fächer, für die man sich interessiert, und entscheidet sich im Anschluss für einen Beruf. Trotzdem haben Sie sich für das Fremdsprachenassistenzprogramm beworben. Wie kam es dazu? Es gehörte verpflichtend zum Studium, ein Jahr im Ausland zu verbringen – an einer Universität, in einem Unternehmen oder an einer Schule. Dass ich nach Deutschland gehen wollte, stand fest. Dass ich mich als Fremdsprachenassistentin beworben habe, war eine pragmatische Entscheidung. Denn natürlich wollte ich Deutschland in diesem Jahr auch bereisen. Als Fremdsprachenassistentin, dachte ich mir, habe ich nicht nur am Wochenende Zeit dafür. Und durch das Stipendium erhielt ich sogar etwas Geld. So habe ich das Beste aus allen Welten erleben können. Vermittelt wurden Sie dann nach Gummersbach. Waren Sie enttäuscht? Mein Wunsch wäre natürlich eine Metropole wie Berlin gewesen. Allerdings war mir klar, dass viele dorthin wollten. So habe ich wiederum pragmatisch Nordrhein-Westfalen als erste Priorität angegeben, in der Hoffnung, in eine Stadt wie Köln, Düsseldorf oder Essen vermittelt zu werden. Stattdessen kam ich nach Gummersbach an das damalige Gymnasium Grotenbach. Begeistert war ich davon, offen gesagt, nicht. Aber durch die Nähe zu Köln ergab es sich, dass ich nach einigen Wochen dorthin umziehen und nach Gummersbach pendeln konnte. Und wie schön die Zeit in Gummersbach war, zeigt sich auch daran, dass ich mich für ein zweites Jahr als Fremdsprachenassistentin an der Schule beworben habe. Was haben Sie zum Unterricht beisteuern können? Eine Lehrerin, mit der ich mich gut verstand, hat mich unterstützt, eine »Conversation Class« einzurichten, die für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe angeboten wurde. Da wurde dann einmal wöchentlich eine Stunde englisch gesprochen – auch über kontroverse Themen wie etwa »Monarchie« oder »Gentechnik«. Oder es ging einfach um den letzten Urlaub. Da meine familiären Wurzeln in Schottland liegen, habe ich natürlich auch dazu eine Unterrichtsstunde gestaltet. Mit welchen Fragen haben die Schülerinnen und Schüler Sie gelöchert? Für viele war ich schon deshalb interessant, weil ich aus England kam. Die Kleinen gingen davon aus, dass ich in London wohnen, jeden Tag mit einem English Breakfast beginnen und die Queen kennen würde. Die Älteren in der Oberstufe wiederum dachten, ich als Engländerin könnte ihnen alle Fragen zur Grammatik beantworten. Die korrekte Verwendung des »Simple Past« oder »Present Perfect« konnte ich damals allerdings nicht erklären, denn als Muttersprachlerin hatte ich mir darüber nie besondere Gedanken gemacht. Die Zeit in Gummersbach war deshalb auch für mich sehr lehrreich, weil ich ein Bewusstsein für die Grammatik meiner eigenen Sprache zu entwickeln begann. 40
Fremdsprachenassistenzprogramm 41 Sie sagen, Sie hätten in Gummersbach »die Leidenschaft für das Unterrichten entdeckt«: Was genau war der Auslöser dafür? Ich hatte in Gummersbach die Gelegenheit, Lehrkräfte im Unterricht zu beobachten und mir daraus ein Bild zu formen, was eine gute Lehrerpersönlichkeit und was guten Unterricht auszeichnet. Nach den zwei Jahren war ich davon überzeugt, dass Unterrichten auch für mich etwas sein könnte, zumal ich als Jugendliche in einer Schauspielgruppe war und gewisse Ähnlichkeiten sah: Man spricht auf einer Bühne vor Publikum, nimmt wechselnde Rollen ein und muss gelegentlich improvisieren. Nach meinem Studienabschluss habe ich deshalb an der Universität Köln ein Lehramtsstudium und das Referendariat absolviert. Seit Herbst 2019 unterrichten Sie an der Erich Kästner-Schule in Brühl bei Köln. Wie reagieren die Schülerinnen und Schüler darauf, wenn sie erfahren, dass ihre Englischlehrerin eine »richtige« Engländerin ist? Viele Schülerinnen und Schüler unserer Schule haben eine Flucht- und Migrationsgeschichte und sprechen in ihren Familien die unterschiedlichsten Sprachen. Es gibt deshalb immer wieder Schülerinnen und Schüler, auf die es besonders motivierend wirkt, wenn sie am Beispiel ihrer Lehrerin sehen, dass man eine Sprache auch dann gut beherrschen kann, wenn man nicht in ihr aufgewachsen ist. Ich selbst bin im Deutschen zwar sehr weit gekommen. Aber es ist eben nicht meine Muttersprache. Gelegentlich mache ich Fehler, schreibe etwas falsch auf oder spreche nicht richtig aus. Aber die Schülerinnen und Schüler, die ähnliche Schwierigkeiten haben, mögen es, wenn ich dann darüber einen Witz machen kann. Wenn Schülerinnen und Schüler etwa aus Afghanistan oder Syrien Sie fragen, wer eigentlich Erich Kästner war: Wie würden Sie den Namensgeber Ihrer Schule beschreiben? Kästner war nicht nur ein bekannter Schriftsteller, sondern auch jemand, der an das Gute in den Menschen glaubte. Gerade in den Kindern sah er große Hoffnung für die Zukunft, woraus seine Überzeugungen über das Leben und Arbeiten mit Kindern resultierten: Lehrkräfte sollten demnach keine Zauberkünstler sein, sondern eher wie Gärtner, die ihre Klasse zwar hegen und pflegen. Aber wachsen müssen die Kinder selbst. Und wenn diese Kinder Sie fragen, weshalb sie neben Deutsch noch andere, nicht weniger schwere Sprachen lernen sollten? Ich versuche Ihnen zu vermitteln, dass Fremdsprachenlernen an sich etwas Bereicherndes ist. Egal, welche Sprache: Alle sind wertvoll, denn sie öffnen Türen, nicht nur im Beruf, sondern auch im kulturellen und sozialen Leben. Wenn das auf Deutsch gelingt, ist das super. Aber auch jede andere Sprache zählt. Zur Person Ist im Rheinland heimisch geworden: Heather Graham. Heather Graham, Jahrgang 1989, kommt aus Preston in England, studierte Englisch und Sozialwissenschaften auf Lehramt in Köln, hat dort promoviert und unterrichtet heute an der Erich Kästner-Realschule in Brühl (Nordrhein-Westfalen). Im Schuljahr 2009/10 und 2011/12 war sie Fremdsprachenassistentin am Gymnasium Grotenbach in Gummersbach.
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