Die Forschung zeigt schon seit langem, dass die Bildung ein wichtiger Prädiktor für die gesellschaftliche und politische Teilhabe ist, nicht nur für konventionelle, z. B. Wahlen, sondern auch für neu entstehende Formen, z. B. Unterzeichnung von Online- Petitionen, Demonstrationen, Boykott (siehe Hadjar & Beck, 2010; Quintelier, 2010; Stockemer, 2014). Dies ist nicht verwunderlich, da die Schulen den Schülern viele Möglichkeiten bieten, Demokratie – inklusive aller Unvollkommenheiten – zu leben, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unterrichts. In der aktuellen europäischen Studie Catch-EyoU 5 , betonen junge Menschen in Fokusgruppen, wie wichtig diese vielfältigen Erfahrungen sind: Marta: Vielleicht, weil ich mich an anderen Dingen beteiligt habe, die es hier in der Schule gibt: Junges Parlament Europäischer Club, all diese Sachen. Und ich glaube, es ist eine große Chance für junge Menschen, sich für die Angelegenheiten des Gemeinwesens zu engagieren, nicht nur an der Schule, sondern auch in der Politik in unserem Land und in Europa. Ich denke, wir haben viele Möglichkeiten ... (portugiesische Schülerin) Linda: Ich glaube, dass die Schule die wichtigste ist [Einrichtung zur Förderung einer politischen Teilhabe], denn wir werden in der Schule aufgezogen. Es ist ein Ort, wo man frühzeitig im Leben Informationen erhält und an dem man sich häufig aufhält. Eventuell bekommst du das zu Hause nicht, deshalb ist es wichtig, dass du es woanders bekommst. (schwedische Schülerin) Georg: Die Politik sollte stärker in die Schule eingebracht werden, denn wenn man über all die Dinge spricht, über die wir heute gesprochen haben, ist der einzige Weg, sie loszuwerden [Probleme wie das Desinteresse der Jugendlichen an der Politik], dass junge Menschen Politik als etwas verstehen, wo ihre Stimme wirklich zählt, wo ihre Meinung zählt; als etwas, das nicht distanziert, seltsam und unverständlich ist, sondern ihnen ganz nahe kommt. (estnischer Schüler) Petr: Hier trifft sich der Schülerrat, die Vertreter der Schule, einige Lehrkräfte und Schüler und es sind in der Regel etwa 30 bis 40 Personen im Besprechungsraum, die über verschiedene Themen sprechen. Die Leute sagen, was sie stört, was sie wollen, und der Direktor spricht mit uns und erwartet, dass wir es direkt in die Klassen bringen. (tschechischer Schüler) Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit anderen Untersuchungen, die wir seit einem Jahrzehnt an Schulen durchführen (Malafaia, Teixeira, Neves & Menezes, 2016; Menezes & Ferreira, 2014; Ribeiro, Neves & Menezes, 2017). Eine erste und besonders signifikante Tendenz ist die spürbare vertrauensvolle und zugleich 5 Constructing Active Citizenship with European Youth, ein Forschungsprojekt, das vom Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der EU kofinanziert wird: http://www.catcheyou.eu 12 Wenn nicht an Schulen, wo dann? Demokratie mit eTwinning lernen und praktizieren
kritische Beziehung, die die Schüler zur Schule haben. Sie bestehen immer wieder darauf, dass die Schule die einzige Umgebung ist, in der sie etwas über Politik lernen können: „Wenn nicht in der Schule, wo dann?“, fragen sie immer wieder. Als zweiter Trend ist zu beobachten, dass es zwar viele Möglichkeiten für Schüler zur Partizipation innerhalb und außerhalb des Unterrichts gibt, viele davon jedoch auf symbolischen und hierarchischen Ansätzen basieren – einer illusorischen Herangehensweise an die politische Teilhabe mit dem Risiko allgegenwärtiger Auswirkungen. Zudem sind diese weitgehend von einzelnen Lehrkräften und deren Willen und Fähigkeit abhängig, zu einer pluralistischen, demokratischen und partizipativen Schulkultur beizutragen. Während die Schule also unbestreitbar eine Umgebung ist, in der Politik gelebt und etwas darüber gelernt werden kann, sollte die Qualität des demokratischen Lebens an den Schulen kritisch untersucht werden. Werden die Schüler ermutigt, ihre Meinung zu äußern, auch wenn sie im Widerspruch zu der von Mitschülern und/ oder Lehrkräften steht? Haben sie Gelegenheit, die Implikationen des Wissens, das sie in ihrem Leben erwerben, zu diskutieren? Gibt es Möglichkeiten für sie, an der Lösung realer Probleme in der Schule und in ihrem Umfeld mitzuwirken? Werden ihre Ansichten darüber, wie Schulen organisiert und geleitet werden (sollten), ernst genommen? Grundsätzlich argumentieren wir hier, dass es keinen Sinn hat, für die Rolle der Schule als Umgebung für einen demokratischen Lernprozess einzutreten, wenn wir die praktische Komponente aus der Gleichung herausnehmen, d. h., wenn wir Demokratie und Politik dort nicht umsetzen. 13
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