Alumni im Porträt vigdis holom aus norwegen Hoch hinauf Ein gestauchter Ellbogen, ein aufgeschürftes Knie oder eine unangenehme Magenverstimmung – gerade im Urlaub mag sich keiner damit herumärgern. Wen es ausgerechnet im norwegischen Trondheim trifft, dem verschreibt Vigdis Holom nicht nur die notwendigen Medikamente. Medizinische Befunde kann die Ärztin perfekt auch auf Deutsch mitteilen. Hoch hinauf zieht es Vigdis Holom – hier unterwegs in den Alpen. Foto: Martin Eckstein A n diesen Patienten erinnert sich Vigdis Holom heute noch: Mit akuten Herzbeschwerden wurde er in Hammerfest in die Klinik, wo sie seinerzeit als junge Ärztin praktizierte, eingeliefert. Schnelle medizinische Versorgung half, sein Leben zu retten. Gleichwohl schien es angebracht, möglichst schnell einen Transport zurück nach Deutschland vorzubereiten. »Das war eine der Situationen, in denen es besonders nützlich war, Deutsch sprechen zu können«, sagt die 34-Jährige. Denn abgesehen von der ernsthaften Erkrankung gestaltete sich auch die Rückreise schwierig. Weil Hammerfest nur über eine kleine Landebahn verfügt, dauerte es mehrere Tage, bis ein für solche Notfälle ausgestattetes Flugzeug landen konnte. Als eine Krankenschwester auf die Frage der Angehörigen nach dem mutmaßlichen Termin irrtümlich »gestern« und »morgen« verwechselte, gerieten diese in Unruhe, glaubten sie doch, das Flugzeug sei bereits ohne sie gestartet. »Ich habe die Familie des Patienten aber beruhigen können«, sagt Vigdis Holom, die das Missverständnis aufklären konnte. Dramatische Fälle wie dieser kommen glücklicherweise nur selten vor. Doch egal, welche Beschwernisse Touristen in die Notfallaufnahme führen – alle freuen sich, wenn die Ärzte dort ihre Muttersprache sprechen. »Die Menschen sind dafür sehr dankbar«, sagt Vigdis Holom. Dass sie die Sprache perfekt beherrscht und selbst medizinische Befunde erläutern kann, verdankt sie zwei Studiensemestern an der Universität Erlangen und mehreren Praktika in deutschen Krankenhäusern. Einen wichtigen Grundstein dazu legte aber auch das Internationale Preisträgerprogramm des PAD, an dem sie im Jahr 2000 teilgenommen hat. Ihre Deutschlehrerin in Oslo hatte sie seinerzeit auf einen Aufsatzwettbewerb für Schülerinnen und Schüler aufmerksam gemacht. »Wie wäre es, wenn ich in einer deutschen Gastfamilie leben würde?« lautete die Frage, die es zu beantworten galt. Wie »es« dann ist, mit anderen Deutschlernenden aus Südkorea, Spanien oder Kanada die Schule zu besuchen und bei gleichaltrigen Gastgeschwistern in einer Familie zu leben, erfuhr Vigdis Holom während des vierwöchigen Sprachstipendiums in Andernach. »Das Gute dabei war, dass in der Gruppe alle Deutsch geredet haben und dass wir Deutsch von Muttersprachlern gehört haben«, sagt sie im Rückblick. Ein unerwartetes Erfolgserlebnis verschaffte ihr der Mathematikunterricht, wo sie – zur Freude des Lehrers – an der Tafel Aufgaben vorrechnen und erklären konnte. Abstecher führten die Gruppe nach München, Berlin, Köln, Bonn – und Leverkusen, wo die Preisträgerinnen und Preisträger ein Bundesligaspiel verfolgen konnten. Seitdem ist ihr der Name Ulf Kirsten geläufig, der gegen Wolfsburg immerhin zwei seiner 181 Tore als Fußballprofi schoss. Die vier Evangelisten Nach Deutschland ist sie seitdem immer wieder gekommen, unter anderem mit einem Jahresstipendium des DAAD für das Medizinstudium in Erlangen. Hier hat sie später zudem erfolgreich promoviert. In der fränkischen Universitätsstadt lernte sie allerdings auch eine der Tücken deutscher Behördenformulare kennen. Auf dem Einwohnermeldeamt trug sie bei der Frage zur Religionszugehörigkeit zunächst »Christentum« ein. Der zuständige Beamte zeigte sich damit allerdings nicht zufrieden und fragte nach der Konfession. »Ich war sehr stolz darauf, dass ich dieses schwierige Wort kannte, und habe daraufhin laut und deutlich geantwortet, ich sei Evangelist«. Die Reaktion des Beamten fiel unerwartet aus. Mit dem Hinweis, dass vier Evangelisten namens Matthäus, Markus, Lukas und Johannes über das Leben Jesu berichteten, eine Evangelistin in der Kirchengeschichte bislang aber nicht bekannt sei, klärte er sie über einen kleinen, aber bedeutsamen Unterschied auf, den wenige Buchstaben nach sich ziehen können. Am Schluss konnten beide herzhaft darüber lachen. Und den Spaß an der Sprache hat ihr das gewiss nicht genommen. Denn Gründe für das Deutschlernen fallen Vigdis Holom zahlreiche ein. Sie verweist darauf, dass rund 100 Millionen Menschen Deutsch als Muttersprache beherrschen und weltweit mehr als 50 Millionen Menschen Deutsch als Fremdsprache gelernt haben. Deutschland sei zudem ein wichtiger Handelspartner für norwegische Unternehmen, etwa im Energiesektor oder in der chemischen Industrie. Viele von ihnen wünschten sich deshalb Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit passablen Deutschkenntnissen. »Verhandlungen lassen sich leichter führen, wenn man die Sprache seines Partners spricht«, sagt Vigdis Holom. Gerade bei gemeinsamen Geschäftsessen, bei denen viele Norweger schnell in das ihnen vertrautere »Du« wechseln, lerne man umso mehr über die Kultur eines Landes, wenn man nicht auf Übersetzungen eines Dolmetschers angewiesen sei. Hinzu kommen die vielen Touristen, die jedes Jahr ihr Land besuchen. »Jeder Deutsche möchte einmal in seinem Leben ans Nordkap reisen«, zitiert sie einen in ihrer Heimat geläufigen Spruch, der mehr als ein Körnchen Wahrheit enthalten dürfte. Ob Mitternachtssonne oder Polarlichter im Winter – das steil aus dem Eismeer emporragende Schieferplateau mit seinen überwältigenden Naturschauspielen übte schon immer eine besondere Magie aus. Hoch hinauf Von der vermeintlich schweren Grammatik dürfe man sich jedenfalls nicht abschrecken lassen, zumal es durch das Internet leicht möglich sei, an authentische Texte zu gelangen. Ihr Tipp für junge Deutschlernende ist der Krimiklassiker »Derrick«, von dem zahlreiche Episoden heute noch auf YouTube angeschaut werden können. Damit ihre eigenen Sprachkenntnisse nicht einrosten, will sie selbst weiterhin regelmäßig deutschsprachige Länder erkunden. Als begeisterte Bergsteigerin und Kletterin zieht es sie immer wieder in die Alpen. »Das ist meine Leidenschaft«, schwärmt sie von ihrem Hobby. Natürlich war sie mit der Preisträgergruppe auf der Zugspitze. Seitdem ging es noch höher hinauf: Elf Dreitausender und einen Viertausender hat sie in den Alpen bereits bestiegen. Vor anspruchsvollen Gletschertouren scheut sie dabei nicht zurück. Seit einer Tour 2004 ist sie zudem Mitglied im Deutschen Alpenverein, dessen Angebote sie gerne nutzt. Zum Jahreswechsel 2009/10 etwa machte sie sich mit einer Gruppe zum Trekking nach Nepal auf. Unter den zehn Teilnehmenden war sie die einzige Nichtmuttersprachlerin, verstand sich aber prächtig mit den anderen Alpinisten. »Weihnachten haben wir gemeinsam auf 4.600 Metern Höhe gefeiert«, erinnert sie sich an die besondere Atmosphäre im Himalaya. Ganz so hoch hinauf geht es in den österreichischen Alpen zwar nicht. Genug Gipfel gibt es dort aber immer noch für sie zu erklimmen. Zur Person Dr. Vigdis Holom, Jahrgang 1982, arbeitet seit mehr als 10 Jahren als Ärztin in ihrer Heimat Norwegen. Promoviert wurde sie an der Universität Erlangen. 2000 nahm sie am Internationalen Preisträgerprogramm des PAD teil. »Dass ich teilnehmen durfte, dafür bin ich heute noch dankbar«, sagt sie. 12 | | 13
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